Gertrudenkapelle in Wolgast

Reisen war vor Jahrhunderten beschwerlich und nicht ganz ungefährlich: Wegelagerei, Überfall und Raub waren an der Tagesordnung. Die Städte schützen sich mit hohen Mauern und schlossen nachts ihre Tore. Wer dann noch auf der Landstraße war, lebte gefährlich.

Um den Reisenden, die nach Schließung der Tore ankamen, eine einigermaßen sichere Unterkunft zu bieten, errichtete man vor den Toren sogenannte Herbergskirchen. Oft waren sie der heiligen Gertrud von Nivelles, der Schutzheiligen der Reisenden, gewidmet. Allein 32 soll es in Pommern einst gegeben haben, nur vier sind noch erhalten: in Słupsk (Stolp), Koszalin (Köslin), Darłowo (Rügenwalde) und eben diese in Wolgast.

Die Gertrudenkapelle wurde um 1420 als zwölfeckiger, gotischer Bau ganz aus Backstein errichtet. Ihr architektonisches Vorbild war das Heilige Grab der Jerusalemer Grabeskirche. Herzog Wartislaw IX. von Pommern, auf den der Bau der Kirche zurückgehen soll, hat die Idee dazu wohl von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land mitgebracht.

Gertrudenkapelle in Wolgast

Die Kapelle besitzt ein beeindruckendes spätgotisches Sterngewölbe, das auf einem Rundpfeiler in der Mitte der Kapelle ruht. Der Rundpfeiler trägt auffällig viele Hausmarken („ich war hier“-Zeichen) der Reisenden, die die Kapelle besucht haben. Diese Zeichen sind bei der teilweisen Entfernung des barocken Putzes wieder zum Vorschein gekommen.

Gertrudenkapelle in Wolgast

Das Dach der Kapelle wurde 1995 erneuert, der Innenraum wartet auf eine Sanierung, für die sich ein im 2003 gegründeter Förderverein einsetzt. Das jetzige Erscheinungsbild der Kapelle (Fußboden, Putz, Bänke) stammt aus dem letzten Umbau im Jahre 1864.

Gertrudenkapelle in Wolgast

Bis zu dieser Renovierung gehörte auch eine um 1700 entstandene, aus 24 Bildern bestehende Totentanz-Darstellung zur Ausstattung der Kapelle. Sie waren an der Brüstung einer barocken Empore angebracht, die heute nicht mehr existiert. Die Bilder kamen um 1900 in die Wolgaster St.-Petri-Kirche und sind dort für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die Gertrudenkapelle gehört zu den wenigen Gebäuden in Wolgast, die den großen Stadtbrand von 1713 unzerstört überdauert haben.


Chausseestraße – B 111, Auf dem Friedhof, 17438 Wolgast
www.museum.wolgast.de

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